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2023-09-07 10:35:36, Jamal

The fate of the overpowering enemy was to achieve a result with superpower, that you would otherwise only be able to achieve with idiots. Jamal Tuschick

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„Und der Blick, den er Maria schenkte, war pflichtschuldig aufgeladen mit sexueller Wertschätzung, die nicht Maria galt.“ Joan Didion

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„Ich war mit siebzehn so wenig auf das Leben vorbereitet, als hätte ich meine Kindheit als Ziegenhirtin in den Bergen verbracht. Ich neigte zu Naturbetrachtungen und durchstreifte Feld und Wald.“ Hilary Mantel

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„Meine frühe Welt war synästhetisch, und ich werde von den Geistern meiner eigenen Sinneseindrücke verfolgt; sobald ich zu schreiben beginne, tauchen sie auf und erbeben zwischen den Zeilen.“ Hilary Mantel

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„Die Geschichte meiner Kindheit ist ein komplizierter Satz, den ich ständig zu beenden versuche.“ Hilary Mantel

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„Wir leben in einer Welt der Unbestimmtheit, des Unheimlichen, wir haben ein Sensorium für Ballungen von Zufall, für Auswege, für Notausgänge, für Minenfelder.“ Alexander Kluge

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„Es geht um Kleinigkeiten; man muss sich konzentrieren und üben.“ Ren GuangYi

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„Wenn ich Push Hands (Tuishou) mit meinem Lehrer mache, ist er nicht da … Ich kann ihn nicht spüren … Er ist wie ein Schatten, der an meinem Körper haftet.“ Warrington Hudlin, Filmproduzent

In den 1990er Jahren © Jamal Tuschick

In der Ehefalle

Endlich begriff Navin, dass er es mit Leuten zu tun hatte, die schlechter als er in dem Spiel waren, dass sie vorgeschlagen hatten.

Im 19. Jahrhundert fledderten Altertumsforscher:innen Pompeji planmäßig, um die Schätze im Nationalmuseum von Neapel zu konservieren. Die niemals berufstätig gewordene Archäologin Veronika Yıldız, geborene Steinbrecher, weiß, dass die Kolleg:innen ihrer wissenschaftlichen Sorgfaltspflicht genügten. Der Modus Operandi entsprach dem technischen Standard unter Plain-Air-Bedingungen. Im Zweiten Weltkrieg bombardierten alliierte Streitkräfte Pompeji mit der Idee, die Wehrmacht bunkere Munition in vorchristlichen Lagerräumen.

Veronika ist die schönste Tochter und beste Reiterin der im Enzkreis jederfrau bekannten Familie Steinbrecher; die Mutigste, die Ungezwungenste. Mit achtzehn wurde sie im selben Jahr Mutter und Deutsche Meisterin.

Und doch steckt Veronika jetzt fest in einer Ehefalle.  

Sie wundert sich über ihre Empfindungen. Wo kommen die her? Veronika fühlt sich von ihren Gefühlen behelligt? Der dörfliche Schauplatz ihrer Existenz ist nur eine unterversorgte Ausbuchtung der nächsten Stadt. Die Leute in der Nachbarschaft neigen zu erbarmlosen Urteilen. Sie bilden Volksgerichtshöfe der Engstirnigkeit im ewigen Sommer Neunzehnhundertneunundneunzig.

Der Nachwuchs leidet unter dem einheitlich-tyrannischen Erziehungsstil und träumt von mörderischer Vergeltung. Demarkationslinien verlaufen entlang der Gartenzäune.

Veronika erwartet den Sohn ihrer Schwester Doris. (Die Steinbrecher-Schwestern heißen nach ihren Tanten und Großtanten.) Patriarch Anton sieht in Navin seinen legitimsten Nachfolger. Der Auserkorene kam in einem Luxusretreat auf Honolulu zur Welt. Seine Mutter lebte dann mit ihm in einem indischen Ashram.  

Veronika war fünfzehn als Navin geboren wurde. Vier Jahre später sah sie ihren Neffen zum ersten Mal. Er sprach kaum Deutsch. Das sorgte für peinliche Momente. Eine Sprachlücke tat sich auf, nicht nur zwischen dem kaum alphabetisierten Großvater und seinem Enkel. (Anton behauptet im engsten Kreis, gerade einmal fünf Jahre zur Schule gegangen zu sein.) Obenauf war die transkontinental auf Kongressen wie ein Popstar gefeierte Kardiologie-Koryphäe, mit der Veronika verheiratet ist. Der gebürtige Istanbuler Tayfun trägt auf Englisch zur Fachliteratur bei. Er gibt den Weltmann in der schwäbischen Provinz. Nur Veronika erkennt das Theatralische an Tayfuns Wochenmarktfetischismus, da ihr seine echten Obsessionen geläufig sind.