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2023-03-22 09:20:24, Jamal

„Es ist besser der Kopf einer Fliege zu sein als der Arsch eines Elefanten.“ Wiktor Stepanowitsch Tschernomyrdin

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Keiner konnte hochmütiger erscheinen als Seine Königliche Hoheit - Landgraf Karl von Hessen-Cassel (1654 - 1730) herrschte länger als ein halbes Jahrhundert in einem ausufernden Kreis dynastischer Gliederpuppen.  

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Im 18. Jahrhundert waren Reisen nicht mehr nur feudales Vergnügen. Es gab die Grand Tour für den bürgerlichen Nachwuchs. In Kassel (Cassel) besuchte der Geck den Höhenpark mit dem Herkules auf der Spitze und begriff die Anlage als Sensation im englischen Stil. Beinah mühelos gelangte er in die Wohnung S.K.H. In einem Kabinett fand die Prüfung der Penelope statt - so wie sie Johann August Nahl der Jüngere (1752 - 1825) aufgefasst hatte.

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„Ich freue mich … eine Ansicht öffentlich ausgesprochen zu wissen, wodurch alle kleinlichen Tadler und Herunterzieher eines höherstehenden Menschen ein für allemal durchaus gelähmt und geschlagen (wurden).“ Johann Peter Eckermann

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„Nun streitet sich das Publikum seit zwanzig Jahren, wer größer sei: Schiller oder ich, und sie sollten sich freuen, dass überhaupt ein paar Kerle da sind, worüber sie streiten können.“ Goethe zu Eckermann

Am 07.02.2023 in Kreuzberg © Jamal Tuschick

Kopfkissenwissen

Marianne von Pechstein liebt The Bonfire of the Vanities. Sie hat sogar den Roman gelesen, der dem Film die Vorlage liefert. Sonst liest sie wenig. Trotzdem weiß Marianne zwanzig Jahre vor den meisten, was globale Erwärmung bedeutet. Mit neunzehn ist sie die mitarbeitende Geliebte des klimajournalistischen Pioniers Sebastian „Buffalo“ Dillinger, einem Parteigänger von Bill McKibben, dem profiliertesten Kritiker plutokratischer Exzesse in den Vereinigten Staaten. In einer verschworenen Männergemeinschaft begreift Marianne, dass alte weiße Männer mit Macht im wachsenden Schadstoffausstoß ihr Heil suchen werden, solange „fossile Brennstoffe die lukrativste Substanz der Welt“ (Bill McKibben) sind. Die globale Erwärmung verlängert die Spannen der Exploitation unter arktischen Bedingungen. Tycoons denken den Klimawandel vom anderen Ende. In ihrer Regie werden Bohrinseln gebaut, die sich dem steigenden Meeresspiegel gewachsen zeigen sollen. Wohlgemerkt, dies geschieht in einem zeitlichen Vorraum der weltweiten Emissionsdebatte. Die Multibosse antizipieren mit einem gewaltigen Vorsprung künftige Standards. Ihre Gegenspieler:innen von der Climate Justice Front können die dramatischen Folgen der Schadstoffexzesse noch lange nicht adäquat kommunizieren als die Strateg:innen der Reaktion bereits Nägel mit Köpfen machen. Sie binden so viele High Potentials wie möglich an sich. Mit Peanuts ziehen sie die Intelligenz aus dem Markt.

Ihre Überlegungen stellen sie auf der Höhe so großer Überlegenheit an, dass ihnen jedes Ergebnis, dass nicht alles bringt, falsch erscheint. Sie verachten Ansichten, die Launen entspringen; so sicher sind sie, dass sich Erfolg errechnen lässt.

Auch Marianne schlägt sich auf die Schurkenseite, und zwar bei der ersten Gelegenheit. Sie kapitalisiert ihr Kopfkissenwissen und steigt im Expresslift auf. In der Gegenwart des Geschehens überschreitet sie ihren Zenit. Obwohl sie schnell begreift, was geschehen ist, irrt und trudelt sie durch ein Illusionslabyrinth. Ihre abergläubische Hoffnung auf Verschonung fände Marianne bei jeder anderen abstoßend. Wie kann man nur so auf die Hündin kommen.

Eines Morgens findet Marianne ihren Schreibtisch leergefegt. Sie darf nicht nur, sie muss sogar ihre bezahlte Arbeitslosigkeit zur Schau stellen. Um sich abzulenken, liest sie in den Aufzeichnungen eines ihrer Ahnen, namentlich des Ritters Cole von Pechstein.