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2022-08-03 07:56:12, Jamal

Der vor den Nazis aus Berlin via Amsterdam und London nach Amerika geflüchtete Werner Angress durchläuft eine militärische Laufbahn vom Nationalgardisten über den in Camp Ritchie ausgebildeten Vernehmer zum Fallschirmjäger. 

„Так само і в житті, перешкод багато, але ми віримо в свої сили і йдемо до нашої вершини - до перемоги! - So ist es auch im Leben, es gibt viele Hindernisse, aber wir glauben an unsere Stärke und gehen an unsere Spitze – zum Sieg!Irina Galay, Quelle: Eingebetteter Medieninhalt

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A real Inglourious Basterd

Die ersten beiden Stationen absolviert er in den US-Bundesstaaten Virginia und Maryland. Jumper hofft er nach einer Atlantiküberquerung in Leicester zu werden. Die wenigstens zweitausend Jahre alte Stadt liegt in den englischen Midlands am Soar, einem Nebenfluss des Trent.

Werner Angress, „Flucht und Rückkehr. Erinnerungen eines jüdischen Berliners 1920 – 1945“, herausgegeben von Norbert Kampe und Kai-Alexander Moslé, 386 Seiten, 41 Abbildungen, Hentrich & Hentrich, 24.90 Euro

Werner landet bei der 82nd Airborne Division, einer schnellen Eingreiftruppe, die binnen achtzehn Stunden weltweit einsatzbereit ist. Sein erster „Betreuer“ ist der „germanische Recke“ Captain Bushman. Dem jüdischen Hauptmann unterstehen die wahren Inglourious Basterds aka Ritchie Boys aka Interrogation Teams.

Bei dem in Nottingham stationierten 508. Fallschirmjägerregiment wartet Werner vergeblich auf eine Sprungerlaubnis. Der D-Day durchkreuzt seine Pläne final. Als Non-Jumper steckt man den Verhörspezialisten zu den Landungstruppen.

Werner regt sich auf. Das muss man verstehen. Bei Festbeleuchtung unter Feuer über eine Bugrampe durch die unruhige See zum Strand vorzustoßen, entspricht einer anderen Athletik, als nachts lautlos und unsichtbar hinter den feindlichen Linien in der Luft zu baden.

Werner stürzt zum Divisionskommandeur und erreicht immerhin dessen Stellvertreter, den sehr gut aussehenden Major General James M. Gavin, genannt Jumpin‘ Jim. Der gute Mann erteilt umgehend eine Sondergenehmigung.

Werner ersetzt eigenmächtig seinen Karabiner. Er rüstet sich mit einer englischen Thompson Maschinenpistole und einer deutschen Luger aus. In einer Douglas C-47 (mit dem Namen Son of the Beach) startet er ins Ungewisse. Ohne Probesprung, unter Beschuss, und mit einer abstürzenden Begleitmaschine vor der Nase tritt Werner am 6. Juni 1944 um 2.15 h aus der Kabinentür ins Leere.

„Irgendwie fühlte es sich wunderbar an.“

Den Boden erreicht er in einem Garten neben einer Koppel. Der Chronist übergeht den surreal-lunaren Moment. Ganz klar, die Szene gehört in einen Film. Sie taugt zum Sujet in jeder Kunstform.

Eine deutsche Patrouille gabelt den Eingeflogenen auf. Werner sagt was, dass er bei Remarque oder Jünger aufgeschnappt hat: eine Weltkrieg-I-Parole, die ein Vierteljahrhundert später nicht mehr zieht.

Werner ergreift die Flucht. Ein Landser schießt ihm eine Delle in den Helm; keine Frage, „der Mann (kann) schießen“.    

Die Deutschen verzichten auf eine Verfolgung. Werner vergräbt einen Großteil seiner Last. Er will mit leichtem Gepäck weiter. Eine Bäuerin fragt er: „… où sommes les boches?“

Man versteht sich. Die Angesprochene erklärt, es gäbe in nächster Nähe vier boches.

Werner gerät in Gefangenschaft, um da zu erleben, dass man ihn - als amerikanischen Soldaten, der seine wahre Identität nicht preisgibt - besser behandelt als einen zur Wehrmacht übergelaufenen Russen. Bald ergibt sich die Einheit der 9. US-Infanteriedivision.

Der mühelos befreite Werner sucht seinen Haufen und schließt am 27. Juni, „mit dem Gefühl, „nach Hause gekommen zu sein“, zu seinen Kameraden auf.   

Aus der Ankündigung

Gestützt auf frühe Aufzeichnungen und sein Kriegstagebuch beschreibt Werner Angress (1920–2010) die ersten 25 Jahre seines Lebens und legt damit einen anschaulichen Bericht vom Schicksal einer Generation vor: Schulzeit im antisemitisch bestimmten Alltag in Berlin, prägende Jahre im jüdischen Jugendbund und im Auswandererlehrgut Groß Breesen, die beinahe gescheiterte Flucht der Familie und der Neuanfang in Amsterdam, Auswanderung in die USA, die Sorge um Eltern und Brüder in den Niederlanden nach der deutschen Invasion, freiwillige Meldung zur US-Army und Ausbildung zum Gefangenenverhörer, Landung als Fallschirmspringer in der Normandie und zeitweilige Kriegsgefangenschaft, Teilnahme am Kampf gegen die deutsche Ardennenoffensive, Befreiung des KZ Wöbbelin, Sortierung nach „Schafen und Wölfen“ unter den gefangenen Wehrmachtsangehörigen und SS-Männern und schließlich das Wiedersehen mit Mutter und Brüdern in Amsterdam.

 Zum Autor

Werner Angress (1920–2010), als ältester Sohn einer bürgerlichen jüdischen Familie in Berlin aufgewachsen, emigrierte er 1939 in die USA. Als US-Soldat kämpfte er vom D-Day bis zum Kriegsende. In den USA lehrte er 35 Jahre als Professor für europäische Geschichte. Nach der Emeritierung zog Angress 1988 zurück nach Berlin. Herausgegeben von Norbert Kampe und Kai-Alexander Moslé.