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2021-12-28 10:04:18, Jamal Tuschick

„Es is kaa Stadt uff der weite Welt, Die so merr wie mei Frankfort gefällt, Un es will merr net in mein Kopp enei: Wie kann nor e Mensch net von Frankfort sei.“ Friedrich Stoltze

© Jamal Tuschick

Eben fiel mir eine Geschichte ein, an die ich lange nicht mehr gedacht habe. In meiner Hanauer Zeit klapperte ich Anglerheime, Campingplatzschwemmen und Gartengaststätten am Main zwischen Frankfurt und Aschaffenburg ab. Weitere lohnenswerte Ziele waren in meinen Augen verschwiegen-eingesessene Griechen und Portugiesen, die von ihren Landsleuten wegen ihrer Heimat verheißenden Küchen besucht wurden. Jede Menge Migrant:innen waren im Rheinmain-Delta in der Unauffälligkeit mehrheitsgesellschaftlicher Arrangements verschwunden. Ihre Häuser hatten sie an Kleinstadtränder gebaut. Sie folgten anderen Präferenzen und beachteten andere Umgebungszeichen als die ursprünglichen Deutschen und sie fuhren gut mit dem importierten Wissen.

Manche Anglerheime wurden von sozial verkrachten Paaren im Last Exit Style bewirtschaftet. Ich erinnere mysteriöse Schauplätze. Da materialisierte sich mitunter eine schon lange nicht mehr tageslichttaugliche Gestalt im Halbdunkel eines Verschlags. So einer war Oskar aber nicht. Er war noch präsentabel nach den Maßstäben der Frankfurter Nacht um 1985.

Ich erzähle jetzt weiter in der Damals-Gegenwart, um von der grammatischen Zeiten-Sperrigkeit nicht gestört zu werden. Ich bin Anfang Zwanzig und schreibe für die Rundschau. Ich kann einreichen, was ich will. Die Redakteur:innen freuen sich über alles. Die Zeitung ist groß genug für jeden Beitrag. Das Rundschau-Wir schmust hingebungsvoll im Lokalen. Gern genommen werden Schnurren über die größte Kartoffel, den ältesten Hundefriseur, die jüngste Schnapsbrennerin.

In einer als Anglerheim deklarierten Baracke, einem finsteren Loch kurz vor Offenbach, sehe ich Oskar und weiß, der Mann liefert Schoten frei Haus. Der kann gar nicht anders.

Wir können beide nicht anders. Das ist wie Sex ohne Vorrede. Kennen Sie das? Sie kommen in ein Lokal, sehen eine komplett fremde Person, vergewissern sich noch mal, dass sie auch richtig sehen ... Oskar und ich trinken Export. Wir könnten uns nicht fremder sein. Trotzdem schenkt mir Oskar zutraulich ein.