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2021-11-19 07:26:32, Jamal Tuschick

Verräterische Wiedergabe

Giano lehrt Urbanistik an der Fakultät für Architektur im Valle Giulia. Seine Frau Clarissa erlebt ihn als kindlich gebliebenen Mann, der sich gern mit witzigen Geschichten in Szene setzt. Er liebt es, seine Schoten mit eleganten Schleifen zu schmücken. Den Titel einer court récit aus seinem Standardrepertoire vernimmt die Gattin in einer verräterischen Wiedergabe.

Luigi Malerba, „Römische Gespenster“, Roman, aus dem Italienischen von Iris Schnebel-Kaschnitz, Verlag Klaus Wagenbach, Quartbuch, 19.50 Euro

Zwei Frauen in einer Ausstellung. Zu sehen sind Werke von Tamara de Lempicka. Den Schauplatz liefert die Académie de France à Rome, eine 1666 gegründete Einrichtung. Solche Dependancen dienten ursprünglich einem feudalen Staatsziel. König:innen beschäftigten Kopist:innen, die Abbildungen epochaler Kunstwerke schufen. Das entsprach einer ständigen Praxis. Der König/die Königin scharrte die Ikonografie des Weltwissens um sich und illustrierte so sein/ihr Kraftfeld.

Die Frauen sind Feindinnen, noch ohne es zu ahnen. Da ist Gianos Gattin, und da ist Valeria. Beide gefallen sich in Posen „entzückter Bewunderung“ bei der Betrachtung desselben Bildes. Die Erzählerin imaginiert sich an die Seite des vor einem Auto schneidig poussierenden Bildhelden. In ihrer Phantasie donnert Clarissa mit dem Gemalten durch die Toskana zu einer Villa. Der Galan und seine Verführerin stürmen zum Bett „von Begierde zerrissen“. Sie „treiben es und brüllen wie zwei losgelassene Säuglinge“.

Falsche Abkürzungen

Im nächsten Durchgang nimmt Giano den Erzählfaden auf. Er beschwert sich bei seinen Leser:innen über Valeria, die eine dumme Ausrede mit einer fatalen Lüge verknüpfte, als sie sich aus einer inquisitorischen Befragung wand. Valeria bot Clarissa die Möglichkeit der Überprüfung einer Angabe. Als versierter Lügner weiß Giano, dass einem die Luft auf den Kurzstrecken und falschen Abkürzungen ausgeht; wenn man glaubt, es käme nicht darauf an und es gehöre nicht viel dazu.

Aus der Ankündigung

Ein großer Eheroman über unausgesprochene Gefühle, subtile Beziehungskämpfe, Liebe und Lebensweisheit. Sehr kurzweilig, mit Gusto!

Dabei hat alles mit einem Witz begonnen.
Clarissa kommt ihrem Mann auf die Schliche, weil sie aus dem Mund einer anderen einen Witz hört, den sie sofort wiedererkennt. Was tun? Die kluge Clarissa wartet erst einmal ab und schreitet dann zur Rache.
Gesprochen wird in ihrer Ehe nicht, aber gelesen. Der Gatte Giano, Städteplaner und mit der Dekonstruktion in Großstädten beschäftigt, hat daher eine listige Idee: Er bringt die Affäre peu à peu zu Papier. Und natürlich lässt Giano die beschriebenen Seiten so in der Wohnung herumliegen, dass Clarissa sie finden und lesen muss …
Luigi Malerba lässt diesmal seine Figuren unglaubliche Wechselbäder durchleben.
Einmal erzählt er, einmal sie, so dass wir die gleichen Ereignisse aus dem Blickwinkel der Frau und des Mannes erleben. Ist es wirklich dieselbe Ehe?

Ein Meisterwerk an Erzählkunst und Gefühlsverwirrung.